Autor dieses Beitrags Jason HD
Ich möchte mal meine Gedanken und Eindrücke zur AfD Demo in Berlin äußern.
Vorab: Das war die erste AfD Veranstaltung, die ich besucht habe. Wer ein paar meiner Posts gelesen hat, weiss aber, dass ich einige Positionen der AfD für sehr sinnvoll und das vorschnelle Abstempeln der Partei und ihrer Wähler als "Nazis" für sehr bedenklich halte. Da diese Meinung in unserer Gesellschaft nicht unbedingt populär ist und ich natürlich nicht jeden AfD-Wähler gefragt habe, ob er oder sie ein Nazi ist, habe ich mich mit der Verteidigung eben jener schon ein Stück weit aus dem Fenster gelehnt und war dementsprechend gespannt, ob ich das nun bereuen würde und wie sie auf einen Farbigen bei einer ihrer Veranstaltungen reagieren würden.
Die Demo fand direkt vor dem Bahnhof auf dem Washingtonplatz statt. Bereits aus dem Bahnhof heraus hatte man einen Blick über die Menge, ich schätze so 2-3000 Menschen, mit ihren unzähligen AfD- und Deutschlandfahnen. Zusammen mit den Regierungsgebäuden im Hintergrund ergab das ein recht imposantes Bild.
Um auf den Platz zu kommen, musste man an Polizisten vorbei, die den Ausgang kontrollierten. Als ich an ihnen vorbeigehen wollte, fragte mich einer wo ich hinwolle. "Na zur Demo", sagte ich. Leicht desillusioniert schauend, ließ er mich passieren.
Auf dem Platz sah man dann alle möglichen Leute. Vom Typ mit Hemd, der aussieht wie ein BWL Student, über den vollbärtigen Klischeebiker, bis zum Handwerkertypen, alles dabei. Viele Leute ab 40, aber auch jüngere und auch viele Frauen.
Ein Mann, der zwei Minuten zuvor mit einer kleinen Gruppe mit den Worten "Thüringen ist da und grüßt die Patrioten" den Platz betreten hatte, sprach mich mit Daumen nach oben an:
"Super, du bist integriert, überhaupt kein Problem!"
Ein anderer drückt mir eine Deutschlandfahne in die Hand.
Es sind Schilder mit bekannten AfD-Forderungen wie "Asylbetrug stoppen" zu sehen, andere erinnern an durch Asylbewerber ermordete Opfer wie Maria L. aus Freiburg oder Mia aus Kandel. Immer wieder sind "Merkel muss weg"-Chöre zu hören. "Was wohl gerade im wenige Meter entfernten Kanzleramt vorgeht?", frage ich mich.
Vier Reden werden gehalten, eine dabei von der 21 Jährigen Marie Therese Kaiser von der Hamburger "Merkel muss weg"-Initiative. Sie spricht über die zunehmende Bedrohung für Frauen im öffentlichen Raum, berichtet über die Anfeindungen und Bedrohungen der Antifa gegenüber der Gründerin der "Merkel muss weg Demos" in Hamburg, Uta Oglivie und appelliert an die jungen Leute für Werte wie Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit einzustehen.
Foto von Philosophia Perennis
Da ich selbst im privaten Bereich schon Gegenwind für mein kleines Engagement bei Facebook erhalten habe,
kann ich nur erahnen welche Risiken diese 21 Jährige auf sich nimmt, indem sie auf einer AfD-Demo in Berlin für ihre Überzeugungen spricht. Innerlich ziehe ich meinen imaginären Hut und warte ab dann gespannt auf die Rede von Beatrix von Storch, die heute in der Presse vor allem auf den Satz "Mesut Özil ist kein Deutscher" reduziert werden sollte.
Sie sagt allerdings auch, dass das nicht der Fall sei, weil er es nicht sein könne, sondern weil er es nicht sein wolle und u.A. Erdogan als seinen Präsidenten bezeichnet.
Özil ist, wie ich, in Deutschland geboren und besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft, wie auch schon Özil's Vater, der bereits im Alter von zwei Jahren nach Deutschland kam.
Mein Vater hingegen ist Amerikaner, aber im Gegensatz zu Özil würde ich nicht auf die Idee kommen von "meinem" Präsidenten Trump zu sprechen. Nicht, weil es Trump ist, sondern weil ich Deutscher bin, weil Deutschland meine Heimat und Zuhause ist, weil ich hier meine Freunde und Familie habe und die Menschen "meine" Sprache sprechen, nämlich deutsch. Dementsprechend ist meine Kanzlerin - leider - Merkel.
Was unterscheidet nun mich von Mesut Özil? Wie Beatrix von Storch es meiner Meinung nach richtig sagt, es ist der Wille. Aber das sei nur am Rande erwähnt. Spannender als die Reden sind für mich an diesem Tag das Verhalten der Demonstranten.
Bevor sich der Zug auf in Richtung Brandenburger Tor machte, würde ich die Atmosphäre als äußerst friedlich und den Job der dort postierten Polizisten als recht entspannt bezeichnen. Ich habe keine Hakenkreuze, Hitlergrüße oder sonstige Naziparolen gehört oder gesehen.
Als der Zug sich in Bewegung setzt, mache ich mich auf den Weg zur anderen Seite des Hauptbahnhofs, wo zeitgleich die "AfD wegbassen"-Demo stattfand, wobei das Wort Party besser gepasst hätte, denn das war es.
Dekorierte Wagen mit großen Boxen aus denen Technomusik dröhnt, zum Teil skurril verkleidete, tanzende, viel mehr junge Menschen auf den Straßen, Alkohol und der Geruch von Gras in der Luft, dazu Regenbogenfahnen und Schilder mit Aufdrücken wie "Rassismus ist keine Alternative", "stoppt den Hass" und sonstigen Anti-AfD-Sprüchen.
Auf mich wirkte das Ganze sehr bizarr. Versteht mich nicht falsch: Freunde von Technomusik und chemischen Drogen hatten gestern sicher viel Spaß, aber für jemanden wie mich, der sehen wollte, wie man auf Menschen antwortet, die Ängste um die Zukunft ihrer Kinder äußern, war das ganze Spektakel sehr sonderbar:
Die eine Seite macht sich Sorgen vor Vergewaltigungen und Morden, Beschneidung von Meinungsfreiheit, Finanzkrise etc.; die andere Seite reagiert darauf, indem sie sich volllaufen lässt, tanzt und Regenbogenfahnen schwenkt. Ist das die intellektuelle Elite des Landes?
Ein wenig ratlos begab ich mich wieder auf die andere Seite, wo sich mir ein Bild mit hohem Symbolcharakter bieten sollte.
Links, der Zug der "rechten" Demonstranten; rechts, die "linken" Gegendemonstranten, getrennt durch die Breite der Spree, die den Riss, der sich seit 2015 durch unsere Gesellschaft zieht, nur allzu deutlich widerspiegelte. Und nicht einmal 500 Meter entfernt, die Regierungsgebäude, in denen die Politiker regelmäßig die Plünderung und Gängelung beider Seiten beschließen. Ein Bild, das mir lange im Kopf bleiben wird.
Ich folgte dem Zug der Gegendemonstranten vorbei am Bundestag in ein kleines Waldstück, das durch einen Zaun den Zugang zum Brandenburger Tor, wo die Abschlusskundgebung der AfD-Demo stattfand, versperrt hatte.
In diesem Waldstück war von der Partyatmosphäre nichts mehr zu spüren. Es herrschte eine extrem aufgeheizte Stimmung unter den hunderten von Leuten, die sich dort ansammelten.
Sprechchöre wie "Wir haben euch was mitgebracht: Hass, Hass, Hass" oder "ganz Berlin hasst die AfD"
Leute, die versuchen über die Zäune zu gelangen und auf Bäume klettern, um Blicke zu erhaschen. Dutzende, schwer ausgestattet Polizisten mit Helmen. Vereinzelt fliegen Flaschen. Man hatte das Gefühl jeden Moment eskaliert es. Zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule ebenfalls eine Masse von z.T. sehr aggressiven, vermummten. Großer Applaus als eine Polizeisperre von Menschen mit Ganzkörperanzügen und Atemschutzmasken, wie man sie aus der Industrie kennt, durchbrochen wird. "Nazis raus"-Sprechchöre. Ich fühlte mich extrem unwohl, denn obwohl diese Menschen ja angeblich für Farbige demonstrieren, bin ich mir sicher, dass ich es in der Menge nicht unbeschadet überstanden hätte, wenn sie gewusst hätten, was ich so für Ansichten vertrete. Ein extrem beklemmendes Gefühl.
Ich beschloss daraufhin zu gehen, wobei ich wieder an der "AfD wegbassen"-Party vorbeikam, wo die Leute sich weiterhin betranken, tanzten und "stoppt den Hass"-Schilder hochhielten, während wenige Meter weiter ein aggressiver Mob der Polizei das Leben schwer machte. Sehr surreal das Ganze.
Was nach diesem Tag bleibt, sind für mich keine wirklich neuen Erkenntnisse: Die AfD wird nicht hauptsächlich von Nazis, sondern ganz normalen Bürgern der Mitte gewählt. Sie vertreten klare Standpunkte und Ziele, die sie vereinen und wofür sie bereit sind friedlich auf die Straße zu gehen und ihre Stimme zu erheben.
Die Gegendemonstranten vereint eigentlich nur die Abneigung gegen die AfD, wobei sie selbst keine Message haben, außer dass sie gegen Hass und Rassismus sind, obwohl gestern weit und breit niemand mit "Rassismus finde ich geil" und "ich hasse alle Ausländer"-Schildern zu sehen war.
Über die wirklichen Kernthemen der AfD-Wähler ist man nicht bereit zu sprechen,
allgemein der Dialog nicht gesucht, stattdessen verkleidet man sich bunt und ignoriert die vorhandenen Probleme, indem man sich betrinkt.
Sie scheinen es wirklich nicht zu wissen, aber auf Dauer werden sie den politischen Kampf nicht gewinnen können, wenn ihnen nicht mehr einfällt als Technomusik aufzudrehen und zu tanzen, wenn die Gegenseite Sorgen über die Zukunft ihrer Kinder äußert. Dass sich in ihren eigenen Reihen viele gewaltbereite, hasserfüllte Leute befinden, die sie zumindest ignorieren, viel eher aber tolerieren, lässt ihre ganze #StopptDenHass-Kampagne zudem sehr heuchlerisch erscheinen.
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